Ein persönlicher Blickwinkel auf die Frauenarbeit von ECLAT und upendo – Ergebnis meiner Projektreise nach Tansania im Oktober

Sabine Buchmüller

Empfang im Frauenzentrum von ECLAT

Da mein Mann Gründungsmitglied von upendo ist, ist mir die Entwicklungsarbeit von upendo und ECLAT seit Jahren bekannt. Erst Anfang September konnte ich auf der Informationsveranstaltung von upendo den Berichten von Catherine Maguzu über ihre Frauenarbeit bei ECLAT lauschen. Doch all diese Schilderungen und Bilder konnten nicht die Eindrücke hinterlassen, die ein persönliches Eintauchen in die Welt der Massai mir geschenkt hat. Es waren vorher eben auch nur Bilder und mündliche Erzählungen, die für den Moment der Konfrontation irgendwie nachdenklich und betroffen machen, aber sogleich wieder verdrängt und vergessen werden, weil sie mit meinen persönlichen Alltagsproblemen nichts zu tun haben. Zudem spielte bisher Frauenarbeit für mich als selbständige, arbeitende, verbeamtete und europäische Frau unserer Zeit eher eine untergeordnete Rolle. Der Beruf der Grundschullehrerin ist sowieso eine Frauendomäne, in der ich mich nicht für eine Gehaltsangleichung oder Frauenquote einsetzen muss. Die Position der Gleichstellungsbeauftragten und das in Zeugnissen auferlegte Gendern erschienen mir bis dato geradezu lächerlich. Doch wie wichtig jeder noch so kleinste Entwicklungsschritt für ein gleichberechtigtes Frauenleben ist und wie langsam, kleinschrittig und mühsam diese Rechte erarbeitet werden müssen, sollte mich diese Reise lehren.

Junge Mutter

Unsere Reise bot uns Einblicke in die vielschichtige Frauenarbeit von ECLAT. Philomena und Catherine führten uns zu Beginn unserer Reise zu drei ihrer Frauengruppen. In allen Gruppen wurden wir herzlich empfangen von Frauen in den unterschiedlichsten Altersstufen. Bei einigen handelte es sich eher noch um Kinder, die bereits eigene Kinder in Tüchern an ihrem Körper trugen. Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass diese Kinder sich ungefähr im Alter meines vierzehnjährigen Sohnes befanden, genau wussten sie allerdings ihr Geburtsdatum nicht. Eine Schule hatten sie noch nie von innen gesehen und ein Schulbesuch mit Kind wird ihnen auf Lebzeiten verwehrt bleiben. Stolz präsentierten sie ihre wirtschaftlichen Erzeugnisse wie Honig, Seife und Mehl, die sie durch sogenannte Mikrokredite von ECLAT erwirtschaftet hatten. Geld war bis dato ausschließlich Männersache. Ich gebe zu, dass dies für mich auf den ersten Blick zunächst nur Kleinigkeiten waren, deren Verkauf sicherlich auch nur einen geringen Erlös erzielen kann. Auf den zweiten Blick jedoch ist es eine Möglichkeit, aus der bisherigen isolierten Frauenrolle ohne Schulbildung herauszutreten, ein Produkt zu erzeugen, Handel zu betreiben und den Umgang mit Geld zu erlernen. Fähigkeiten, die sie dank ECLAT erlernen dürfen, um sich ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften.

Dennoch setzt jede Frauenarbeit von ECLAT auch die Arbeit mit Männern voraus. Jeder Entwicklungsschritt ist nur mit Zustimmung der Männer möglich. Überzeugungsarbeit kann nur durch einen sensiblen, respektvollen Umgang mit der Kultur der Massai gelingen. Daher halte ich die Kooperation von upendo mit der ortsansässigen Organisation ECLAT gerade in der Frauenarbeit für unabdingbar.

Im neuen Klassenraum in Digodigo

Besonders deutlich wurde dies in der Eröffnungsveranstaltung der Familienplanungskampagne in Lorokare zur Aufklärung und Anwendung von Empfängnisverhütung. ECLAT leistete hier zunächst im Vorfeld wichtige Überzeugungsarbeit bei den Stammesältesten, die durch ihr hohes Ansehen wichtige Multiplikatoren für das Gelingen der Kampagne sind. In Lorokare durften wir zu Gast sein und die wundervollen Tänze und Gesänge eines Massai-Chores in seinen farbenfrohen Gewändern bewundern. Die Liedertexte wurden eigens für diese Veranstaltung gedichtet und handeln von den Konsequenzen, welche eine zu hohe Kinderzahl für Frauen hat, die für ausreichend Nahrung, Kleidung und Gesundheit Sorge tragen müssen. Auch Schulbildung ist für zu viele Kinder nicht bezahlbar. Lieder erreichen unsere Seele noch einmal auf eine ganz andere Weise als gesprochene und gelesene Texte. Auch wenn ich die Texte der Lieder in Kisuaheli nicht verstand, war die zu transportierende Botschaft und Stimmung auch für mich deutlich spürbar.

Am tiefsten bewegt haben mich Begegnungen mit den Massai-Mädchen bzw. Frauen, deren Leben sich durch Bildung u.a. mit der Unterstützung von ECLAT und upendo beispielhaft gewandelt haben. Die kleine Pendo hatte sich eilig von der Schule auf den Weg nach Hause gemacht, um uns in ihrem Boma zu begrüßen. Es war mein erster Besuch in einem Massai-Boma. Der drückenden Hitze, Trockenheit, Hütten aus Kuhdung und zu vielen Kindern auf engstem Wohnraum stand ein kleines Mädchen in Schuluniform als Lichtblick gegenüber, dem nun eine Zukunft außerhalb eines Bomas ermöglicht wurde. Ebenso beeindruckend ist der Lebensweg von Selina Daniel, die durch ihre Bildung den Weg als Mitarbeiterin zu ECLAT fand und letztendlich ihrem Dorf zu einem Schulgebäude verhalf. Auch Selina zeigte uns ihr elterliches Boma in Lemugur, in dem noch ihre kleinen Geschwister leben. Als ich dieser selbstbewussten, eleganten, englischsprachigen Massai-Frau an ihrem Geburtsort gegenüberstand, wurde mir ihre unfassbare Entwicklung, die sie durch Bildung genommen hatte, offenbar. Ebenso prägend war die Begegnung mit der Studentin Mamaule, die vor Jahren ihr Schicksal selbst in die Hand nahm und sich Hilfe bei ECLAT und upendo suchte und nun den Lehrerberuf anstrebt, was mich natürlich besonders bewegte.

Mit Selinas jüngster Schwester im Boma in Lemugur

Letztendlich ist aber die Bildung der Gesamtbevölkerung der Massai der Schlüssel zur Entwicklung. Die Frauenarbeit von ECLAT und upendo findet nicht nur in der Bildung der Frauengruppen und Familien statt, sondern langfristig und nachhaltig insbesondere in der Schulbildung möglichst vieler Kinder; Jungen wie Mädchen. Nur durch breite Bildung kann sich ein wirkliches Umdenken der heranwachsenden Generation entwickeln, und dies war für mich zu sehen bei unseren Besichtigungen und Übergaben der von ECLAT und upendo gebauten bzw. renovierten Grundschulen von Tayei, Lemugur, Digodigo und Sanjan. In den vollen Schülerbänken sitzen bereits viele Mädchen.

Mein Blickwinkel auf Frauenrechte und Frauenarbeit hat sich durch diese Reise grundlegend geändert. Ich danke allen Frauen in Europa, die durch ihren Kampfgeist und Mut mir dieses gleichberechtigte Leben ermöglicht haben, das ich persönlich dankbar annehmen kann. Unsere Aufgabe besteht nun darin, diese Rechte zu bewahren – und wir haben die Möglichkeit, Organisationen wie ECLAT und upendo in ihrer Frauenarbeit zu unterstützen.

Fotos: Joachim Buchmüller, Fred Heimbach, Atuhurra Marjorie (2022)

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Übersetzungen: Marita Sand