PENDO’S LANGER SCHULWEG

Auszug aus der Reportage: Long Walk Home von Claudio Verbano

Die zehnjährige Pendo steht jeden Morgen sehr früh auf, um ihren fast 20 km langen Schulweg zu bestreiten.

Nebel liegt über der Savannenlandschaft in der Nähe des Tarangire Nationalparks in Tanzania. Es ist 4 Uhr morgens, noch zwei Stunden bis zum Sonnenaufgang. Es ist kein Geräusch zu hören in der kleinen Maasai-Siedlung, Bewohner und Tiere befinden sich noch mitten im Schlaf. Nur in einer der Hütten regt sich etwas: Die zehn jahre alte Pendo zieht ihre Schuluniform an und macht sich auf ihren vier-stunden-langen Schulweg…

Es ist stockdunkel, das Gras rund um die Siedlung ist noch feucht vom Nebel. Pendo verabschiedet sich von ihrer Mutter Dahab, die einzige Person, die so früh mit ihr aufsteht. Es bleibt ein Geheimnis, wie Pendo das ohne Wecker schafft, da nicht einmal ein Hahn um diese Zeit kräht. Ihre Mutter gibt ihr etwas Milch, bevor sie das Haus verlässt. Pendo lebt gemeinsam mit ihrer Mutter, ihrer kleinen Schwester und ihrem jüngeren Bruder in einem traditionellen Maasai-Boma. Ihr Schulweg ist lang und beschwerlich, insgesamt sind es fast 20 Kilometer zur Schule, und 20 Kilometer zurück nach Hause, jeden Tag. Auf ihrem Weg läuft sie die erste halbe Stunde allein, was nicht ungefährlich ist, da es neben Giraffen, Zebras und Büffeln auch Hyänen und andere Tiere gibt, die jederzeit ihren Weg kreuzen können. Pendo ist stets froh, nach und nach auf andere Kinder zu treffen. Sie läuft mit schnellem und entschlossen Schritt Richtung Schule.

Das junge Maasai Mädchen Pendo geht von zu Hause vier Stunden zu Fuß zur Schule auf einer scheinbar nicht enden wollenden Straße.

Bereits seit vier Jahren läuft Pendo diese Strecke, sie kennt jeden Stein, jeden Baum und kann daher genau abschätzen, wo sie sein muss, wenn die Sonne aufgeht, um rechtzeitig zur Schule zu kommen. Wer zu spät kommt, wird von den Lehrern oft heftig ermahnt. Pendo treibt die anderen Kinder an sich zu beeilen. Lange kann sie aber keine Rücksicht nehmen, denn ihr Ziel ist es, die Schule vor acht Uhr, also vor dem Morgenappell zu erreichen. Wenn um 6:30 die Sonne aufgeht, wird es schlagartig wärmer. Die Sonne ist so stark, dass bereits kurze Zeit später der Nebel verschwindet und aus der kühlen Nacht ein heißer, staubiger Morgen erwacht. Pendo lässt sich davon nicht beeindrucken und führt ihre kleine Gruppe ohne Pause zur Schule.

Auch wenn sie oft müde in der Schule ist, bemüht sich Pendo im Unterricht immer gut mit zu machen.

Nach fast vier Stunden Fußmarsch ist Pendo am Ziel: Sie erreicht ihr Klassenzimmer und ist nur wenige Minuten zu spät. Ihr Lehrer Innocent hat ein Nachsehen mit ihr, da er genau weiß, welch weiten Weg sie bereits hinter sich hat, nur um jetzt ihren Tag zu beginnen. Er belässt es bei mahnenden Worten und Pendo nimmt Platz.

Das junge Mädchen ist oft müde in der ersten Stunde und schläft manchmal kurz ein. Die Anstrengung, die sie zuvor vollständig ignorieren konnte, setzt ihr jetzt doch zu. Ihre Lehrer tolerieren das eigentlich ungern, lassen sie aber dennoch ein wenig ausruhen. Alle wissen, dass sie viel besser in der Schule sein könnte, wenn sie nicht so viele Stunden laufen müsste. Immerhin strengt sich Pendo sichtlich an, dem Unterricht zu folgen, meldet sich und versucht vor allem im Geografie Unterricht und Kisuaheli gut mitzumachen, was nicht einfach ist bei fast 50 Kindern pro Klasse.

Mutter Dahab legt ihrer Tochter die Hand auf die Stirn – eine typische Begrüßung der Maasai.

In jeder Pause versucht Pendo, ihre Hausaufgaben zu machen und Stoff aus dem Unterricht zu wiederholen. Dazu fragt sie oft andere Mitschüler nach Rat. Im Gegensatz zu vielen Anderen hat Pendo nach der Schule keine Zeit, um noch einmal etwas für die Schule zu tun. Ohne Strom und Licht zu Hause gibt es keine Möglichkeit, dort ein Buch zu lesen. Es ist ohnehin bereits dunkel, wenn Pendo zu Hause ankommt.

Für Pendo’s Vater Maiseyey war immer klar, dass seine Tochter einmal zur Schule gehen soll: “Ich liebe unsere Traditionen, aber als verantwortungsvolle Eltern ist es auch unsere Pflicht, unsere Kinder auf die Zukunft vorzubereiten. Die Schule ist eine Chance für uns, wie wir uns selbst für unsere Rechte einsetzen können.”

Es sind oft die Herausforderungen, die uns stärker und entschlossener machen, für etwas zu kämpfen. Pendo hat längst bewiesen, wie sehr sie für eine Schulausbildung kämpft.

Zu Hause teilt sich Pendo ihr Bett mit ihrer kleinen Schwester. In Zukunft möchten sie zusammen zur Schule gehen.

Fotos: Claudio Verbano

MEHR VON CLAUDIO VERBANO

Chrismon Artikel „Pendo geht zur Schule“ vom 27.01.2020.

SPIEGEL ONLINE Artikel „Bildung ist das Wichtigste, das es gibt“ vom 02.01.2020

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